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Parlament will Tempo 30 bremsen – Städteverband reagiert sauer

Des voitures circulent sur la route devant un panneau 30km/h sur le Boulevard de Perolles le lundi 2 octobre 2023 a Fribourg. Pour lutter contre le bruit routier, la Ville de Fribourg prend des mesure ...
Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen hat im Parlament einen schweren Stand.Bild: KEYSTONE

Parlament will Tempo 30 ausbremsen – Städteverband reagiert sauer

06.03.2024, 10:5106.03.2024, 13:49
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Jeder Strasse ihre Funktion und ihre Geschwindigkeitsbegrenzung: Das Parlament verlangt eine Anpassung des Strassenverkehrsgesetzes, die es erschweren soll, auf wichtigen Strassen innerorts Tempo 30 einzuführen. Der Städteverband reagiert mit Unverständnis.

Mit 25 zu 15 Stimmen und mit 3 Enthaltungen überwies der Ständerat am Mittwoch eine Motion des Luzerner FDP-Nationalrats Peter Schilliger. Sie fordert, die «Hierarchie des Strassennetzes» und die Funktionen der Strassen innerorts und ausserorts zu respektieren. Das betrifft auch Tempobeschränkungen.

Diese Umfrage zeigt, wie die Bevölkerung zu Tempo 30 steht:

Probleme für KMU in Ortszentren

Die verlangten neuen Bestimmungen im Strassenverkehrsgesetz sollen die Funktionen der verschiedenen Strassen unterscheiden und auch die entsprechenden Geschwindigkeitsbegrenzungen. Schilliger nennt dabei Tempo 50 auf verkehrsorientierten Strassen innerorts und die Möglichkeit für Tempo 30 auf Siedlungsstrassen.

Grundsätzlich seien Temporegelungen Sache des Bundes, sagte Thierry Burkart (FDP/AG) namens der Verkehrskommission (KVF-S). In Ausnahmefällen könnten Gemeinden aber Regelungen erlassen, etwa bei Schulhäusern oder zum Schutz vor Lärm. Auf wichtigen Achsen werde es laut Motion schwieriger, Tempo 30 einzuführen, sagte Burkart.

Praktisch flächendeckend Tempo 30 auf wichtigen Achsen könne zu mehr Verkehr in Wohnquartieren führen, gab Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) zu bedenken. Fabio Regazzi (Mitte/TI) verwies auf Probleme für Unternehmen und Blaulicht-Organisationen. Lieferzeiten würden verlängert und Betriebe würden aus Innenstädten verdrängt.

Die Mitte-Fraktion. CVP-EVP-BDP, Fraktionspraesidentin Andrea Gmuer-Schoenenberger, LU, schreitet zu den Von-Wattenwyl-Gespraechen, am Freitag, 13. November 2020, in Bern. An den traditionellen Gespra ...
Befürchtet, dass bei Tempo 30 auf Hauptachsen, der Verkehr in die Quartiere ausweicht: Andrea Gmür-Schönenberger.Bild: keystone

Weniger Unfälle bei Tempo 30

Es sei keine chaotische Entwicklung, wenn auf einem Strassenstück das Tempolimit von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde reduziert werde, entgegnete Baptiste Hurni (SP/NE) namens der Minderheit. Es gebe keinen Handlungsbedarf, die heutige Gesetzgebung sei klar.

Und es gehe um öffentliche Sicherheit: Zahlen zeigten, dass es in Tempo 30-Zonen weniger Unfälle und weniger Schwerverletzte gebe. Mathias Zopfi (Grüne/GL) plädierte für Pragmatismus und gegen eine zentralistische Regelung durch den Bund.

Der bestaetigte Staenderat Mathias Zopfi (Gruene) posiert fuer ein Portrait bei den Eidgenoessischen Wahlen, am Sonntag, 22. Oktober 2023 in Glarus. Die Schweizer Buergerinnen und Buerger waehlen das  ...
Ist gegen eine zentralistische Regelung des Bundes: Matthias Zopfi.Bild: keystone

Der Bundesrat ist gegen die Motion. Was sie verlange, sei aktuell auf Verordnungsstufe geregelt und müsste nun ins Gesetz geschrieben werden, sagte Verkehrsminister Albert Rösti. Solle auf wichtigen Strassen Tempo 30 eingeführt werden, könne dies heute nur gestützt auf ein Gutachten geschehen. Die Motion bringe keine Änderung.

Auf siedlungsorientierten Strassen - auf Nebenstrassen und in Wohnquartieren - vereinfachte der Bundesrat per Anfang 2023 die Einführung von Tempo 30. Dafür ist seither kein Gutachten mehr nötig.

Unverständnis beim Städteverband

Verkehrsorientierte Strassen sind nach Angaben des Bundes jene Verkehrsachsen, die in erster Linie auf die Anforderungen des Motorfahrzeugverkehrs ausgerichtet und für eine effiziente Verkehrsabwicklung bestimmt sind. Sie sollen sichere, leistungsfähige und wirtschaftliche Transporte ermöglichen.

Der Städteverband äusserte in einer Mitteilung sein Unverständnis über den Ratsentscheid. Dieser gefährde die Sicherheit von Kindern sowie Seniorinnen und Senioren. Es sei unverständlich, weshalb in diesem Fall die Gemeindeautonomie beschnitten werden solle.

«Es ist schwer vorstellbar: Eine Gemeinde, in der ein Altersheim an einer dicht befahrenen liegt, möchte die Geschwindigkeit auf 30 km/h beschränken, damit den Seniorinnen und Senioren mehr Sicherheit geboten wird. Dies soll nun nicht mehr möglich sein, weil das Recht, mit 50 km/h zu fahren, höher gewichtet werden soll als die Sicherheit.»
Schweizerischer Städteverband.

Die Funktionalität des Strassennetzes werde mit der Einführung von Tempo 30 nicht geschwächt. Untersuchungen hätten gezeigt, dass es auf Quartierstrassen keinen Ausweichverkehr gebe. Und sei das doch einmal der Fall, könnten die Gemeinden mit baulichen Massnahmen oder Einbahnstrassen Gegensteuer geben. (sda)

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147 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Grobianismus
06.03.2024 11:07registriert Februar 2022
Sollen doch die lokal lebenden Menschen selber entscheiden, wie ihre Regeln sind? Sonst sind die Bürgerlichen ja immer sehr für die Föderation und den Kantönligeist.
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Massalia
06.03.2024 11:35registriert Juni 2021
Gemeindeautonomie und Gemeindefreiheit ein Thema bei den Bürgerlichen? Oder simd die Bürgerlichen nur an verfassungsmässigen Rechten interessiert, wenn es ihrer Bonzenklientel dient?

Ganz unabhängig davon: Schneller als Tempo 30 kann man in den Städten eh nicht fahren. Das Thema dient den Bürgerlichen einmal mehr zum Wahlkampf, ausgeübt im Parlament auf Staatskosten.
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Pachyderm
06.03.2024 13:02registriert Dezember 2015
Mich macht der Vorstoss hässig. Z.B. in Köniz ist die Ortsdurchfahrt schon seit längerem durchgehend 30, die Aufenthaltsqualität ist gestiegen, es gibt weniger Unfälle und 40% weniger Verletzte als zuvor. Und: Die Dauer für die Durchfahrt ist gesunken, weil der Verkehr viel flüssiger ist.

Aber nein, unsere rechtsbürgerlichen Ewiggestrigen müssen ja alles kaputt machen was gut ist, nur weil es ihrer 60-er Auto-über-alles-Idiologie widerspricht.
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